Stuttgart lässt seit vielen Jahren ein Netz von Hauptradrouten planen. Damit soll dem Radverkehr ein übergeordnetes Netz von gut und durchgängig befahrbaren Routen zur Verfügung gestellt werden. Dieses Netz wird seit vielen Jahren geplant. Nur mit der Umsetzung hapert es. Die ersten Planungen reichen wohl bis ins Jahr 2009 zurück, eher noch weiter. Dank des VCD sind 2013 die Planungen an die Öffentlichkeit gedrungen. Eigentlich sollten sie ja auf den Seiten der Stadt zu finden sein, aber mit Öffentlichkeitsarbeit hat man es damit ja nicht so. Daher wohl dieser Leak (PDF, HTML).
Verwirklicht wurde bisher gerade einmal Hauptradroute 1 von Vaihingen bis Fellbach vollständig. Was aber bald wieder Geschichte sein wird. Die Fahrradstraße Tübinger Straße soll wieder mal dem Autoverkehr geopfert werden wegen einer Baustelle am Österreichischen Platz.
Aber das ist nicht Thema dieses Beitrags, sondern die Planungen für Hauptradroute 2. Genauer gesagt dem Teil durch Wangen, also der Abschnitt zwischen der U-Bahn-Haltestelle Wangener-/Landhausstraße (im Folgenden „die Haltestelle“) und den Otto-Konz-Brücken.
Früher gab es die Planung die Radfahrer ab der Haltestelle Richtung Hedelfingen (bzw. natürlich auch die andere Richtung) durch die Nähterstraße zu führen. Das ist eine Straße, die in Teilen zu einem Naturschutzgebiet gehört und in der Kfz-Verkehr verboten ist, nur frei für Anlieger. Ein anderer Teil davon ist eine ruhige Seitenstraße, parallel zur Ulmer Straße in einer Tempo 30-Zone, in einem kurzen Stück zwischen Rinkenberg und Bozelen unechte Einbahnstraße, also mit Freigabe für Radfahrer in die Gegenrichtung.
Diese Planung wurde irgendwann geändert, die Infra!-Forderer sollten Radstreifen auf der Ulmer Straße zwischen der Haltestelle und Rinkenberg/innere Ulmer Straße und auf der Hedelfinger Straße bekommen. Beinahe wäre angefangen worden diese Planung zu verwirklichen, aber der Stadtrat der Stadtisten, Ralph Schertlen, war Argumenten und einer Neubewertung aufgeschlossen und sorgte mit seinem Veto für einen Planungsstop.
Aber was wurde da geplant, und für viele überraschend, warum gibt es Alltagsradfahrer, die gegen die geplante Streckenführung sind?
Abschnitt 1 – Haltestelle Wangener/Landhausstr. bis Rinkenberg
In Richtung Wangen kommen hier die Radfahrer über die Landhausstraße an der U-Bahn-Haltestelle vorbei. Das ist ein kurzes Stück Gehweg mit Freigabe für Radfahrer. Dort hält die Linie 4 im 10-Minuten-Takt. Dieses Teilstück ist bei beiden Planungen eine gefährliche Stelle, wie das entschärft werden soll ist mir unklar.
Nach der Haltestelle gabelt sich der Weg. Rechts geht es in das von Mitarbeitern des VW-Autohauses in der Wangener Straße zugeparkte Naturschutzgebiet, die Nähterstraße, links in die Wangener Straße. Dort soll vermutlich die Ableitung vom Gehweg auf die Fahrbahn sein. Ich schreibe „vermutlich“, weil die Stadt Stuttgart eine etwas dürftige Informationspolitik betreibt. Mehr als die Bilder der Planunterlagen in einem Beitrag Beitrag im Blog der Gemeinderätin Christine Lehmann sind nicht zu finden, aber zusammen mit den Berichten in den Stuttgarter Zeitungen, dem Anzeigenblatt Wilh und dem Blog Gablenberger Klaus ergeben sie ein ziemlich genaues Bild.
Dort in der Wangener Straße soll also ein Radstreifen sein, am VW-Autohaus vorbei. Hier ist schon wieder eine problematische Stelle. Offensichtlich wurde dem Autohaus genehmigt, Anlieferungen von der Wangener Straße aus durchzuführen. Die Zu- und Abfahrt zum Autohaus ist jedenfalls so verwinkelt dass sich ein Autotransporter wohl schwer tun würde. Momentan stehen diese Transporter da, wo halten und parken erlaubt ist: am rechten Fahrbahnrand.

Wäre dort ein Radstreifen kann man sich vorstellen, wo sie stehen würden: genau dort auf dem Radstreifen. Manche meinen ja in solchen Fällen müsste der Lieferverkehr links vom Radstreifen stehen. Andere sagen nein, denn ein Radstreifen ist Teil der Fahrbahn, nicht deren Rand. Ich fahre äusserst ungern durch solch einen „Tunnel“, denn man kann weder nach rechts noch nach links ausweichen.
Ist diese Stelle überwunden kommt die nächste. Worin sich die verschiedenen Religionen nicht unterscheiden ist nämlich ihre Ignoranz gegenüber Nicht-Autofahrern. Soll heißen: die Besucher eines Gotteshauses haben dort den Gehweg als Parkmöglichkeit entdeckt und nutzen diese auch intensiv.
Etwas weiter dann schon das nächste Autohaus, diesmal Mercedes-Jahreswagen (Google Streetview). Weiter geht’s mit einer Tankstelle, also einem Ort wo Autofahrer ja immer so aufmerksam sind. Nicht. Läden mit viel Parkplätzen. Und als besonderes Schmankerl wird noch eine Buchbinderei mit Sattelschleppern beliefert. Die Einfahrt ist in einer Seitenstraße, und die Kurve ziemlich eng.

Aber da müssen Radfahrer halt mal Rücksicht zeigen, und dürfen nicht am LKW rechts vorbei, gell.
Weiter geht’s mit Läden mit großen Parkplätzen, Gebrauchtwagenhändlern, Reifenhändlern, etc. Es ist nun mal ein kleines Gewerbegebiet an der Straße bis zum eigentlichen Dorf. Und auf der Seite Richtung Wangen kommt auch der Schwerlastverkehrs zur S21-Baustelle auf der anderen Seite, die gleich nach dem Aldi kommt. Selbst jetzt, obwohl kaum gebaut wird im Tunnel, rollt da ein Sattelschlepper nach dem anderen hin, und wieder weg. Zufahrt ist über den Großmarkt.
Nicht vergessen auf der Strecke Richtung Gaskessel ein Aldi, eine Waschstraße, noch ein Möbelhaus, ein KfC, etc. pp. Also jede Menge Verkehr. Und da sollen Radstreifen hin für die ängstlichen Radfahrer. Da sollen Kindern, Senioren, unsichere Radfahrer fahren, während sie überholt werden von jeder Menge großen Lastern. Weil, man muss ja den Radverkehr sichtbar machen! Nein, Protected Bike Lanes geht auch nicht, wenn alle paar Meter eine Einfahrt oder Straße kommt.
Meiner Meinung nach wird hier vorsätzlich mit dem Leben von Radfahrern gespielt, nur damit selbsternannte Experten unter den Gemeinderäten wieder ein paar Meter Radstreifen bekommen und sich damit brüsten können, was für den Radverkehr getan zu haben.
Gegen die bewährte Alternative Nähter Straße wird dagegen mit allen Mitteln gekämpft. Diese Straße ist in der ursprünglichen Planung der Hauptradroute 2 vorgesehen gewesen. Eine ruhige Seitenstraße, teilweise nur Anlieger frei, aber zu einem Teil nicht beleuchtet. Genauer gesagt 400m. Wegen dieser 400m wird die komplette Route abgelehnt. Anstatt für eine Beleuchtung zu kämpfen, und zusätzlich die Verwaltung dazu zu bringen gegen die dortigen Falschparker vorzugehen. Aber nein, der Radverkehr muss „sichtbar“ werden, also die Radfahrer vorsätzlich auf eine Strecke gelotst werden, wo ihnen bestenfalls die Sache mit dem Rad fahren verleidet wird, schlimmstenfalls die leider von anderen Orten bekannte Unfallart „Tod durch Rechtsabbieger“ begünstigt wird.
Abschnitt 2: Durch den eigentlichen Stadtteil
Dies Beschreibung betrifft die Situation zwischen den U-Bahn-Haltestellen Wangener /Landhausstraße und Inselstraße. Die innere Ulmer Straße, also zwischen Rinkenberg und Wangener Marktplatz, ist mittlerweile zum Glück Tempo 30. Hier würde es durchaus langen öfter Geschwindigkeitskontrollen durchzuführen (und Falschparkerkontrollen, also wie in der gesamten Stadt). Und natürlich auch Gehwegradler-Kontrollen. Denn in der Straße meinen manche Radfahrer allen Ernstes, sie müssten auf dem Gehweg fahren direkt an Haustüren entlang. Nein, das sind nicht die oft herangezogenen unsicheren oder unerfahrenen Radfahrer, beileibe nicht.
Abschnitt 3: Denkt denn keiner an die Kinder!!!1!!11!
Ab dem Wangener Marktplatz bis zum Obi ist dann wieder ein Radstreifen geplant. Gerade im Hinblick auf die Wilhelmsschule, die dort ist. Die Planer sind allen Ernstes der Meinung dass die Schüler aus der Ortsmitte gegenüber der Schule vorbei fahren, und beim Obi eine 180 Grad-Kurve fahren.
Zusammenfassung
Ohne die bisherige schnarchnasige Umsetzung der alten Planung verteidigen zu wollen waren bei der jetzigen Planung wohl nur solche Experten am Werk, deren einzige Fachkenntnis war dass sie Rad fahren können.
Beide Routen beinhalten ein riesen Problem: Man zieht PKW-Stellplätze einer sicheren RadInfra vor. Einmündungen und Überfahrten könnte man problemlos sicher gestalten, wenn man Autofahrer zum Abbremsen zwingt: Kleine Kurvenradien, Bordsteinkanten, Huckel. Und dem Autohaus müsste man natürlich die Erlaubnis entziehen, seinen Schrott auf der Fahrbahn abzuladen. Dafür das Das AH einen Hof und wenn der Händler damit ein Problem hat, muss er sich einen Kopf machen, wie er das lösen kann- aber nicht die Radfahrer. An der Nähterstr. stört mich persönlich am meisten, dass alle Ecken massiv zugeparkt sind und Autofahrer und Radfahrer sich nicht begegnen können. R vor L finde ich auf einer HRR auch für Kontraproduktiv. Als Alltagsradler fahre ich auf der Hauptstr., mit der Familie meide ich diese Gegend gänzlich.
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Interessant, dass du über die Parkplätze einsteigst. Die sind mit eher sowas von egal. Was mir nicht egal ist sind Falschparker auf Radstreifen, und/oder die Rechtsabbiegerproblematik. Gerade letzteres macht diese Planung so gefährlich. Daran werden auch die Kurvenradien nichts ändern, die man an den meisten Stellen nicht mehr verkleinern kann, oder Bordsteinkanten.
Das mit dem Autohaus siehst du völlig richtig. Eigentlich ist das deren Problem. Aber, wie an vielen anderen Stellen in Stuttgart sichtbar, machen die das einfach zum Problem der Radfahrer. Sei es Toyota an der Heilbronner Straße kurz vor dem Pragsattel, Mercedes Benz an der Straße Hallschlag, etc. pp. Und weder Stadt noch die Polizei kümmert es.
Die Nähterstraße ist eigentlich nicht mal massiv zugeparkt. Jedenfalls außerhalb des Naturschutzgebiets. Auch die Kurven sind eher frei, mal abgesehen von der Kreuzung Rinkenberg. Ja, sie ist eng. Ein Ausweisen als Fahrradstraße würde tatsächlich helfen. Dann ist auch das von dir angesprochene Problem mit Rechts vor Links passé. Es ist ja nicht so als ob keine Änderung des Status quo nötig wäre.
Es ist für dich schön, wenn du die Gegend mit der Familie meiden kannst. Ich wohne dort, und möchte dass auch meine Kinder später mal sicher Rad fahren können, auch ohne dass ich sie jedes Mal begleiten muss.
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