Hauptsache Radweg (Update 16.04.2020)

Heute geht ein „offener Brief an Bundesminister Scheuer“ um. Darin fordern ungenannte zahlreiche Radentscheide und Mobilitätsinitiativen die Verkehrsminister von Bund und Ländern dazu auf, pandemietaugliche Infrastruktur unverzüglich bereitzustellen. Die Forderung erschöpft sich natürlich darin, breitere Geh- und Radwege zu fordern.

Also. Welche Radentscheide das sind (vermutlich alle) und welche Mobilitätsinitiativen das sind wird nicht erwähnt. Was eine „Mobilitätsinitiative“ sein soll auch nicht. Ich tippe auf den ADFC, aber das ist nur eine reine Vermutung meinerseits. Obwohl, doch, eine ist sicher: Changing Cities. Das ist eine Initiative aus dem Dunstkreis der Radentscheide. Mag jeder sich einen Reim drauf machen.

Was in dem Pamphlet, sorry, offenen Brief fehlt ist viel einfacher zu machen. Ohne Einsatz von Material, ohne Arbeitsaufwand. Einfach mit einer kleinen Veröffentlichung im Bundesanzeiger: die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht. Dann noch die Aufhebung vieler unnötiger Radfahr-Verbote, also das Abschrauben von Zeichen 254. Aber vermutlich verspricht man sich mit einer solchen Forderung nicht genug Publizität. Es widerspräche auch der selbstgewählten Doktrin, dass Radfahrer unbedingt eine eigene Infrastruktur braucht.

Einer der Unterzeichner ist auch ein echter Hansdampf. Für öffentlichkeitswirksame Aktionen immer gut, für fundierte Radverkehrspolitik eher nicht.

Update 16.04.2020

Es gibt noch Hoffnung. Nachdem sich Teile des ADFC dem offenen Brief anschlossen (siehe Kommentare) gibt es endlich ein Licht im dunklen Tal. Der ADFC Münsterland hat einen offenen Brief (PDF) an den OB der Stadt Münster und andere Verantwortliche geschrieben. Die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht innerhalb einer Stadt ist zwar schwierig, aber sicher nicht unmöglich, und um Einiges leichter zu bewerkstelligen als Fahrstreifen durch Poller, Leitboys oder ähnlichen Kram abzusperren.

17 Kommentare zu „Hauptsache Radweg (Update 16.04.2020)

  1. Die Liste der Unterzeichner findest du in dieser PDF

    Klicke, um auf 20200414-Offener-Brief.pdf zuzugreifen

    Der ADFC ist nicht dabei. Vielleicht will man sich bei den Innenstadtveränderern den nächsten trojanischen Erfolg alleine ans Brevier heften dürfen, wenn man ihnen mal wieder mit Albimaßnahmen entgegen kommt.

    Die Qualität des Aufrufes erkennt man daran, dass die Einführung des § 45 I Nr. 5 und § 45 IV StVO gefordert wird. Anderseits überrascht (inzwischen nicht mehr) der naive Glaube daran, dass man mal eben Straßen großräumig umbauen kann – von der Finanzierbarkeit mal ganz abgesehen. Wäre das so einfach, hätten wir eine km Autobahnen und Ortsumgehungsstraßen mehr in Deutschland.

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    1. Ah, danke. Dieses kleine „hier“ auf der verlinkten Webseite ist mir tatsächlich durchgegangen. Aber ob da wirklich ein Gerangel hinter den Kulissen ist? Ich vermute da eher einen der üblichen Schnellschüsse aus der Radentscheid-Ecke. Über Ostern war vermutlich niemand beim ADFC zu erreichen.

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          1. Oh, nun gibt es eine PM des ADFC NRW

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            PRESSEMITTEILUNG

            Offener Brief an NRW-Verkehrsminister: ADFC NRW und Fahrradinitiativen fordern Corona-sichere Rad- und Gehwege

            Düsseldorf, den 15.04.2020

            10/2020

            Gemeinsam mit Mobilitätsinitiativen und Radentscheiden fordert der Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs in NRW, dass schnellstmöglich konkrete Maßnahmen für pandemietauglichen Fußgänger- und Radverkehr getroffen werden. In einem offenen Brief wenden Sie sich an NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst, mit der dringenden Bitte nach einheitlichen Vorgaben und Leitlinien, damit Schutzmaßnahmen in den Kommunen zügig umgesetzt werden können.

            Abstand halten, ist das Gebot der Stunde. Doch der empfohlene Mindestabstand von 1,5 bis 2 Meter ist im Alltagsverkehr nicht einzuhalten, denn die ohnehin zu engen Rad- und Gehwege sind für die erforderlichen Abstandsregelungen nicht ausgelegt. Bislang gibt es von Bundes- und Landesregierung keine Empfehlung für eine einheitliche Vorgehensweise für pandemietaugliche Mobilität. Die Kommunalverwaltungen in NRW sind daher unvorbereitet, weil ihnen rechtssichere Regelungen fehlen, um schnell handeln zu können. Die vor allem in NRW stark wachsende Radentscheid-Bewegung fordert daher von Bundes- und Landesregierung klare Vorgaben und Leitlinien. Diese würden rechtliche Unsicherheiten beseitigen und den Kommunen helfen, auf die neue Situation reagieren zu können.

            Radverkehr ist systemrelevant und sollte angesichts von Corona keinesfalls in den Hintergrund geraten. „Ganz im Gegenteil“, sagt Thomas Semmelmann, Landesvorsitzender des ADFC NRW, „mit Blick auf das geplante Fahrradgesetz für Nordrhein-Westfalen kann die Landesregierung jetzt unter Beweis stellen, wie ernst sie ihre Bemühungen für das Fahrrad und die Nahmobilität nimmt. Dazu gehört, Kommunen durch klare Vorgaben und Leitlinien zu unterstützen, um mehr Platz für Menschen zu schaffen.“

            Die Mobilität in NRW hat sich durch Corona deutlich verändert. Die Radentscheid-Initiativen Aachen, Bielefeld, Bonn, Detmold, Essen und Marl, sowie der ADFC NRW, Radkomm e.V. und weitere Mobilitätsinitiativen fordern deshalb, schnellstmöglich einfache und schnell umsetzbare Lösungen zu schaffen.

            „Verbreiterte Rad- und Gehwege sind schnell und einfach einzurichten, wenn die Bedingungen einmal geklärt sind“, erklärt Dr. Björn Ahaus vom RadEntscheid Essen und verweist auf erste Erfahrungen in Berlin. „Berlin hat mit temporären Radstreifen – auch ‚Pop-Up-Bikelanes‘ genannt – wichtige Erfahrungen gesammelt, die auch in Städten bei uns in NRW schnell für mehr Sicherheit in Corona-Zeit bringen würden.“

            Ein aktuelles Problem beschreibt Ludger Vortmann vom Radentscheid Marl: „Bettelampeln mit minutenlangen Wartezeiten und viel zu kurzen Grünphasen für Fußgänger und Radfahrer verstärken sogar Gruppenbildung. Die bestehenden Richtlinien zur Planung und Regelung von Verkehr sind für den Autoverkehr gemacht. Wir sollten jetzt in der Corona-Krise dem Rad- und Fußverkehr Vorrang gewähren.“

            „Umfassende Gesundheitspolitik bedeutet auch, den Menschen einen sicheren Weg zum Einkaufen oder zur Arbeit zu ermöglichen – selbst bei Ausgangs- und Kontakteinschränkungen. Hierfür die Voraussetzungen zu schaffen ist wichtige Aufgabe der bundesdeutschen Gesundheitspolitik“, so Joachim Bick von der IG Fahrradstadt Münster.

            Würden nach der Lockerung der Kontaktbeschränkungen Menschen verstärkt ihre Wege mit dem PKW erledigen, wären lange Staus vorprogrammiert. Vor allem für Pendler*innen müssen alternative Lösungen zum PKW zur Verfügung stehen, sonst droht ein Verkehrskollaps in den Städten. In ihrem offenen Brief an Minister Wüst fordern die Radentscheide und Mobilitätsinitiativen gemeinsam mit dem ADFC NRW die Landesregierung zum Handeln auf, um sichere Mobilität in den kommenden Monaten zu gewährleisten. Auch auf Bundesebene fordern mehr als 30 Radentscheide bzw. Initiativen sowie zahlreiche Vereine in einem offenen Brief Regelungen zur einfachen Umsetzung verschiedener Maßnahmen.

            Den offenen Brief an Verkehrsminister Hendrik Wüst finden Sie am Ende der Pressemitteilung auf unserer Homepage:

            https://www.adfc-nrw.de/aktuelles/aktuelles/article/offener-brief-an-nrw-verkehrsminister-corona-sich.html

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          2. P. s.: Was ich mich frage ist, ob nicht die Fahrbahn genau die Voraussetzungen erfüllt, wie die Inititiativen fordern, die emancipated biking ablehnen.

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          3. Die wollen ja die Fahrbahn. Nur halt abgesperrt hinter Pollern. Dass bei jeder Kreuzung, jeder Einfahrt etc. die „Protection“ wieder aufhört, aber genau da die Gefahrenpunkte sind wird nicht gesehen. Ebensowenig wie die fehlende Möglichkeit für Radfahrer, links abzubiegen.

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    1. Ich lese darin ein verschwurbeltes Bekenntnis davon, dass man langsam einsieht, dass es so seine Nachteile hat, Radverkehr einzusperren.

      Das hat alles noch weniger einen konzeptionellen roten Pfaden und Realitätsbezug als das schlechtes Radverkehrskonzept einer Kommune.

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        1. Ich meinte, dass in dem Text etwas drin steckt, deren Tragweite sich die Protagonisten sicherlich noch nicht bewusst sind, aber die Faktizität der Realität zwingend dann zu der Einsicht, nicht reflexive Denkübungen. Und ich gehe auch nicht davon aus, dass allen bewusst sein wird, dass sie nun was anderes fordern.

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          1. Jetzt muss ich gestehen, dass ich gerade auch nicht mitkomme. Hier steppt auch gerade der Bär, beruflich wie privat (Home-Office). Kannst du etwas genauer werden was du meinst?

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          2. In ihrem Aktionismus werden konzeptionell nur lose verbundene Forderungen gestellt, die teilweise genau das in Frage stellen, was bisher verkündet wurde. Auf einmal ist es nicht mehr gut, Radverkehr innerorts einzusperren, sondern eine Gefahr. Weil das alles so Fragmente sind, die nebeneinander im Raum stehen fällt es offensichtlich nicht auf, dass man seine eigenen Forderungen in Frage stellt.

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          1. Die „glühenden“(?) Radwegverächter sind früher mal für Radwege aktiv geworden, bevor sie ihre Meinung dazu auf Basis von Fakten überprüft und geändert haben. Auch bei anderen Positionen gab es Änderungen, wie z.B. der Frage von Fahrradhelmen, Codierstil, Softwareentwicklung, etc. Und auch diese Änderungen werden regelmäßig überprüft, sollten neue Erkenntnisse bekannt werden.

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