Heute komme ich zu Marian Schreier. Er ist der inoffizielle Kandidat der SPD. Inoffiziell deswegen, weil sich ja jeder zur Wahl stellen kann, der genügen Unterschriften zusammen bekommt. Marian Schreier ist aber nicht ein normaler Bürger, sondern Bürgermeister von Tengen. Und SPD-Mitglied. Die SPD Stuttgart war wenig erfreut, als er seinen Hut in den Ring warf. Für die Dauer des Wahlkampfs ruht seine Mitgliedschaft. Ich könnte wetten, für den (unwahrscheinlichen) Fall eines Wahlsiegs seinerseits wäre die SPD hocherfreut, und schon immer hinter ihm gestanden, und alles gut.
Die URL seines Webauftritts hat mich stutzen lassen. Man findet ihn unter https://schreier0711.nationbuilder.com/. Eine Subdomain also. Aber was ist Nationbuilder.com? Nie gehört. Also direkt aufgerufen.

Okeeeeh… 🙂 Gut, kann man auch günstiger haben. Ist dann halt nicht für „Leaders“.
Genug gefrozzelt? Nein. Sein Wahlprogramm ist als PDF zum runterladen vorhanden. Endlich mal wieder ein Kandidat, der das so handhabt. Aber wo ist es abgelegt? Bei WeTransfer, einem Anbieter für kostenloses Filesharing.
Bevor es zum Thema Verkehr kommt, ein Punkt vorher aus seinem Programm. Schreier will, dass die Verwaltung WhatsApp nutzt. Weil 2 von 3 Stuttgartern (angeblich) WhatsApp nutzen. Also, wo ist diese Untersuchung? Und wieso WhatsApp, das zu Facebook gehört?
Ich will Stuttgart endlich zu einem Modell für nachhaltige Mobilität entwickeln.
Irgendwie will dieses Jahr jeder OB-Kandidat was mit nachhaltiger Mobilität machen, habe ich den Eindruck. Aber dabei natürlich nicht den Autoverkehr vergessen.
Klar ist aber auch: Die Oberbürgermeisterin oder der Oberbürgermeister muss die Interessen der gesamten Stadt im Blick haben, nicht nur die der Innenstadtbezirke. Das Auto wird auch zukünftig zum Mobilitätsmix gehören und ich will die ideologischen Grabenkämpfe der letzten Jahre beenden.
Also mal wieder Autos, aber ohne Ideologie. Übrigens, ich wohne nicht in einem der Innenstadtbezirke, sondern in einem der Neckarvororte. Außerhalb des Kessels. Ich habe nicht den Eindruck, dass man hier dringend auf ein Auto angewiesen ist. Die meisten (nicht alle, ja) Bezirke haben nämlich U-Bahn und/oder S-Bahn-Anschluss.
Wir müssen die Mobilitätswende endlich ganzheitlich denken und steuern.
Ganzheitlich. Wieder mal. Wo war das nur schon mal zu lesen?
Dann mal wieder das Übliche. Ausbau der Netze von U- und S-Bahn, 80 Meter-Züge, Taktverdichtung, usw.
Und:
KOSTENLOSES WLAN
Warum eigentlich immer kostenloses WLAN? Wenn ich mit der Bahn unterwegs bin, interessiert es mich mehr ob sie pünktlich fährt, bzw. überhaupt kommt. Da soll es speziell bei der S-Bahn ja was zu tun geben.
Im Laufe der Jahre bin ich immer weniger mit dem ÖPNV unterwegs gewesen. Das lag nicht am fehlenden WLAN, das lag an Unzuverlässigkeiten der S-Bahn oder Streckensperrungen wie zwischen Staatsgalerie und Hauptbahnhof.
Die Mobilitätswende gelingt nur mit innovativen, digitalen Lösungen. Sei es bei der smarten Verkehrssteuerung oder der Routenplanung über unterschiedliche Mobilitätsformen hinweg.
Google Maps existiert. Und bekommt übrigens schon jetzt die Daten für die Verkehrslage von der IVLZ, der Integrierten Verkehrsleitzentrale. Klar ist das nicht perfekt, aber es ist mehr da als man denken mag nah der Schweiz.
Nur mit einem durchgängigen und sicheren Radwegenetz steigen Menschen auf das Fahrrad um.
Sichere Radwege? Ja. Das wird seit Jahrzehnten versucht.
Das gilt vor allen Dingen für die schnelle Umsetzung des fast zehn Jahre alten Hauptradrouten-Konzepts im “Stuttgart Standard”, also unter anderem mit ausreichend breiten Radwegen.
Nicht nur fast 10 Jahre, sondern über 10 Jahre mittlerweile. Aber das dieser ominöse „Stuttgart Standard“ jetzt schon in einem Wahlprogramm auftaucht. In Braunschweig arbeitet man derzeit übrigens an einem „Braunschweig Standard“. Irgendwann hat jede Stadt ihren eigenen Standard für Radwege, -netze, -routen, etc. Kleinstaaterei olé.
Abschließend noch der Link zur Kandidatenvorstellung.
Ich weiß auch nicht, warum die Städte immer das Rad neu erfinden müssen. Oder verbirgt sich dahinter nur die Unterbietung der eh schon nicht großzügigen FGS/VwV StVO-Werte unter Berücksichtigung dessen, was man schon hat?
Irgendwo gibt es sicher den Wahlphrasen-Generator zum Verkehr. So wie es den PunkRockSongTextApparat gibt.
Also als ich die Startseite aufrief von dem, musste ich an einen ausbildungsabschlusslosen neoliberalen, opportunistischen, rechtsoffenen Bubi ohne politische Überzeugungen in zentraler Funktion eines östlich liegenden Kleinstaates denken. Keine vernünftige URL erweckt jetzt nicht gerade das Vertrauen darin, dass der „digital“ kann. Das der auf WhatApp setzen will, ist auch nicht gerade ein Indiz dafür.
WLAN ist auch nicht meine vordringlichste Sorge. Ich will Zuverlässigkeit an erster Stelle, dann Schnelligkeit und Taktdichte, aber WLAN kommt irgendwo ganz am Ende.
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https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-11/marian-schreier-oberbuergermeister-wahl-stuttgart/komplettansicht
Naja, dass wann halt bekommt, wenn man jede Kleinigkeit zum Skandal hochjazzt und Rücktrittsforderungen häufiger sind als schönes Wetter.
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Sollte nicht „Naja, dass wann halt bekommt“ sondern „Naja, dass ist, was man halt bekommt,“
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