Der Stadt Stuttgart sind Kinder wichtig. Jedenfalls laut Eigenwerbung, wie obiges Beispiel zeigt. Aber wie sieht es denn wirklich mit der Kinderfreundlichkeit aus, speziell im Verkehr?
Ein Beispiel habe ich dieser Tage direkt auf dem Schulweg meiner Kinder. In einer Seitenstraße wird gebaut. Und das wirkt sich bis auf den Gehweg der Ulmer Straße aus, der dafür auch gesperrt wurde. Fußgänger sollen dann bitte vorher die Straßenseite wechseln. Auf einer Seite gibt es eine reguläre Ampel, auf der anderen nichts. Keine Ampel, kein Zebrastreifen. Da gehen nicht nur meine Kinder, da gehen viele Kinder.
Also flugs eine Gelbe Karte geschrieben.
Wegen einer Baustelle in der Laupheimer Straße ist der Gehweg in der Ulmer Straße momentan auf einer Seite gesperrt. Auf Höhe der Riedlinger Straße gibt es eine Fußgängerampel für die Querung, aber auf der anderen Seite nichts. Dabei ist das ein wichtiger Schulweg zur Wilhelmschule. Mein Vorschlag wäre einen temporären Fußgängerüberweg für die Zeit der Sperrung einzurichten, am Besten mit einer Baustellenampel.
Text der Gelben Karte, gesendet 14.9.2021
Die Antwort kam relativ schnell nach drei Tagen. Und war erwartungsgemäß unbefriedigend.
wir danken Ihnen für den Hinweis auf die Unterbrechung des Gehwegs in der Ulmer Straße/Laupheimer Straße.
Vor beginn unserer Kanalerneuerungsmaßnahme wurden die Arbeiten mit dem Amt für öffentliche Ordnung (AföO) abgestimmt.
Wie sie dem beigefügten Schulwegplan entnehmen können, besteht für Sie die Möglichkeit den offiziell ausgewiesenen Schulweg, der über die Straße Renzwiesen zur Nähterstraße führt einzuschlagen.
Wir gehen davon aus, dass im Laufe der kommenden Woche der Gehweg in der Ulmer Straße wieder für den Fußgängerverkehr, wenn auch nur beschränkt, frei gegeben werden kann.
Aus diesem Grund halten wir es nicht für notwenig eine temporären Fußgängerüberweg in der Ulmer Straße einzurichten.Als weitere Information möchten wir erwähnen, dass im Anschluss an die Kanalerneuerung in der Laupheimer Straße weitere Abschnitte in der Fellnerstraße, Renzwiesen und Nähterstraße folgen werden.
Antwort des Sachbearbeiters im Tiefbauamt
Im weiteren Verlauf unserer Kanalerneuerungsmaßnahme wird der Schulweg baubedingt unterbrochen werden. Das AföO wird die Schulleitung rechtzeitig über notwendige Änderungen des Schulwegs in Kenntnis setzen, damit diese an die Elternschaft weitergegeben werden können.
Also. Weil das Ordnungsamt, das bekannt dafür ist an Fußgänger (oder Radfahrer, Rollstuhlfahrer, etc.) zu denken, das so abgesegnet hat ist das ok so. Und die Kinder sollen doch eh bitte nicht über die Ulmer Straße laufen, sondern Umwege über die engen Gehweg der Nähterstraße, bei denen auch gerne Kurvenparker Sicht und Weg einschränken, im Endeffekt also noch gefährlicher.
Auf meine Antwort darauf, dass es wohl keine akzeptable Antwort ist und ich das Ganze veröffentlichen werde (hiermit geschehen) habe ich keine Antwort mehr erhalten. Aber wundersamerweise gab es dann seit der Woche darauf einen Weg, durch den Fußgänger an der Baustelle vorbei kamen. Ohne die Beschilderung zu ändern, man muss es eben wissen.
Weiteres Beispiel. Sven Matis, seines Zeichens Leiter der Pressestelle der Stadt Stuttgart, setzt einen Tweet ab über eine neue Jugendverkehrsschule für 4,2 Millionen Mark. Garniert mit einem Bild, in dem die Kinder auf diesem abgesperrten Platz Helm und Wahnweste tragen.
Angesichts der realen Verkehrssituation draußen im Rest der Stadt hagelt es Kritik. Denn die Stadt sollte nach dieser völlig missglückten Kampagne Stuttgart Parkt Fair und ähnlichen halbgaren Versprechungen sowie einem Erlass des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg (PDF), in dem die geltende Rechtslage eigentlich ein für allemal geklärt wurde, endlich reagieren. Und nicht mit solchen Alibi-Veranstaltungen.
Eine der Kritiken kam von Kidical Mass. Mal abgesehen von der leidigen Sichtfeldverengung auf Radwege durchaus richtig. Die Antwort fiel dagegen „etwas“ aus dem Rahmen.
Die Missachtung der Vorfahrt gegenüber Radfahrern ist also ein deplatziertes Horrorszenario? Eher ein durchaus gängiges Horrorszenario.
Aber es wird noch besser.
Also: Falschparker sind keine Lebensgefahr, weil es „nur“ eine Ordnungswidrigkeit ist. Also ähnlich wie zu schnell fahren, rote Ampeln zu ignorieren, etc. Alles nicht gefährlich für andere. Und überhaupt, Kinder sollen die Regeln kennen. Und auch mal Rücksicht nehmen! Schließlich gilt §1 StVO auch für diese. Diesen Paragraphen zieht Herr Matis übrigens gerne heran, wenn es um Gefahren geht die durch Autofahrer verursacht werden.
Und überhaupt, Eltern haften für ihre Kinder!
Und so weiter und so fort. Wohlgemerkt, Sven Matis ist der Sprecher der Stadt Stuttgart. Aber hier bezeichnet die Amtsleiterin des Ordnungsamtes Bürger auch als Blockwarte.
Wieso soll man sich da zurückhalten, wenn es um Kinder geht. Da wird auch eher eine Studie in Auftrag gegeben, statt schnell Klassenzimmer mit Luftfiltern auszustatten.